Am 16. Januar hat das Statistische Bundesamt die offizielle Verbraucherpreisentwicklung, also die offizielle Inflationsrate, in Deutschland für das Jahr 2013 veröffentlicht. Die Jahresteuerungsrate soll dabei 1,5% aufs Jahr hochgerechnet betragen haben.
Warum nur habe ich und alle die ich kenne und danach gefragt habe, das Gefühl, das diese niedrige, offizielle Inflationsrate nicht mit meinen Erfahrungen übereinstimmt, was Preissteigerungen angeht?
Nehmen wir den Gastronomie Indikator: Kurz bevor der Euro eingeführt wurde kostete ein Weizenbier 3,40 DM, was gerundet 1,74 Euro waren. Heute, genau 11 Jahre später kostet das gleiche Bier in der gleichen Gastronomie 3,80 Euro! Das macht genau 7,36% Steigerung pro Jahr laut Zinseszins Rechner. Ein Jägerschnitzel war für 12 DM zu haben, kostet heute 11,9 Euro, also 6,2% Steigerung pro Jahr. Ein Gouda Käse bei Lidl kostete ungefähr 2,8 DM, heute etwa 2,9 Euro, also auch zwischen 6 und 7 Prozent Preissteigerung pro Jahr. Da stellt sich einem natürlich die Frage wie kommt das und:
Kann die offizielle Inflationsrate manipuliert werden?
Nun gab es in den letzten 11 Jahren in 7 Jahren offiziell unter 2% Inflation und nur 2007, 2008, 2011 und 2012 Inflationsraten über 2 %, aber nicht über 2,6%. Ja richtig, zumindest offiziell. Frei nach dem Motto „traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ sollte man sich mit der Berechnung der Inflationsrate und der Zusammensetzung des zugrunde liegenden Warenkorbs vom Statistischen Bundesamt einmal auseinandersetzten.
Eine Übersicht der Zusammensetzung und Berechnungsanteile des Warenkorbs findet man hier. Dieser umfassende Warenkorb soll also einen repräsentativen Durchschnitt der Waren darstellen, wie sie von der Bevölkerung gekauft werden. Also wofür eine Haushalt in Deutschland sein Geld ausgibt.
Wenn man sich die Gewichtung der einzelnen Positionen anschaut, dann gibt es einige Positionen, die man mal kritisch hinterfragen sollte. Um zu bestimmen, wie realistisch diese Annahmen für den Großteil der Bevölkerung sind, muss man erst einmal bestimmen, was denn ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland an Einkommen hat und dann absolute Zahlen anhand des Einkommens in einen prozentuale Ausgabe zu stellen. Dann kann man diese mit den Angaben beim Warenkorb vergleichen und nötigenfalls hinterfragen. |
Dazu gibt es einen weiteren Trick, der eigentlich immer funktioniert: Es wird in den Warenkorb immer auch ein hoher Anteil an Gütern eingebunden, die man zwar nur alle zwei bis vier Jahre kauft, über den hohen Preis aber eine entsprechende Gewichtung bekommen. Das macht dann halt einen repräsentativen Haushalt aus!
Beispiel aus früheren Zeiten: Man nimmt das Produkt Videorekorder mit in den Warenkorb auf, weil das ja bereits viele haben und bald alle haben werden… Nun ist bei Aufnahme in den Warenkorb das Produkt noch sehr teuer, sagen wir 1000 DM. Nun gibt es eine normale Produktzyklus Entwicklung, nach dem immer gleich der Preis eines Produktes über die Zeit und Menge immer weiter sinkt (Stichwort: Kostenreduzierung, Konkurrenz, Masseneinkauf von Komponenten, usw). Dadurch sinkt der durchschnittliche Preis eines Videorekorders in den nächsten 4 Jahren auf 200 DM. Das reduziert natürlich die Inflationsrate. Man stelle sich jetzt sehr viele solcher Produkte im Warenkorb zur Berechnung der Inflation vor, die diesen normalen Produktzyklus durchlaufen. Wenn nach 5 Jahren dann kaum noch Preissenkungen vorhanden sind, dann nimmt man das Produkt eben als technisch überholt und kaum noch verkauf aus dem Warenkorb heraus und nimmt ein neues auf, z.B. einen Blue-Ray Player. Hier beginnt der Produktzyklus von vorne, bis das Produkt dann wieder ersetzt wird.
Hier wird also eine Preisentwicklung von Gütern des täglichen Lebens durch einen üblichen preislich sinkenden Produktreifezyklus überschattet!
Die mittleren und besonders die unteren Einkommensschichten geben das verfügbare Einkommen dafür aus, sich selbst oder ihre Familie zu versorgen. Da bleibt kaum Raum für die Anschaffung neuer elektronischer Spielzeuge. Zumindest nicht so oft, wie es in der Berechnung des Warenkorbes angenommen wird. Hier wird ein völlig absurdes Kaufverhalten simuliert, welches nicht nachvollziehbar bestimmt wird. Raum für statistische Manipulation ist also reichlich vorhanden…
Die Methode der Inflationsberechnung wurde geändert
Auch die Methode zur Inflationsberechnung ist schlichtweg ein Witz. So verwendet das Statistische Bundesamt seit der Euro-Einführung im Jahr 2002 die hedonische Berechnungsmethode. Dabei wird einfach mal so angenommen, daß Qualitätsverbesserungen bestimmter Produkte sich auf diese preissenkend auswirken! So wird z.B. ein neuer Computer bei der Berechnung nur mit der Hälfte seines tatsächlichen Preises angesetzt. Das fadenscheinige Argument dahinter: Das neue Modell ist ja doppelt so gut wie sein Vorgänger. Nur was soll das für eine Begründung sein? Trotz doppelter Geschwindigkeit habe ich real doch das doppelte an Geld ausgegeben!!! Es gibt also durchaus Möglichkeiten über die Statistik die offizielle Inflationsrate zu senken!!!
Die schleichende Verarmung der Bevölkerung
Das dumme dabei ist nur, dass der statistische, offizielle Wert der Inflationsrate nichts mit dem realen Leben von schätzungsweise 75% der Bevölkerung zu tun hat. Wenn man nun den Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen folgt, dann betrug der durchschnittliche Brutto-Jahresarbeitslohn je Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2011 rund 28.300 Euro, also rund 2358 Euro im Monat. Das ergibt grob 1560 Euro Nettoeinkommen. Das sollte dann auch der „Durchschnittsbürger“ sein, der von einem Warenkorb repräsentiert wird.
Ein Beispiel aus dem Warenkorb: Für Wohnung, Wasser, Strom, Gas werden 31,7% vom verfügbaren Einkommen angegeben. Das entspricht bei 1560 Euro Netto dann ca 495 Euro im Monat. Ich gebe für meine 65 qm Wohnung 750 Euro aus. Für Benzin werden 3,87 % vom Einkommen angegeben, das sind 60 Euro im Monat. Eine Tankfüllung kostet derzeit 75 Euro bei mir und ich tanke 2x im Monat. Für Telekommunikationsdienstleistungen und Telefone werden 2,77 % angegeben, also 43 Euro. Bei mir sind es für Festnetz und Internet sowie Mobilfunk etwa 63 Euro. Das kann man in vielen Bereichen so weiter durchgehen.
Die Zusammensetzung des Warenkorbs entspricht jedenfalls nicht meinen Lebensgewohnheiten! Und so geht es vielen Menschen in Deutschland, weshalb die gefühlte Inflation wesentlich höher ist!
Weil der Unterschied zwischen der offiziellen und der von ca 75% der Bevölkerung wahrgenommenen Inflationsrate so groß ist, hat Hans Wolfgang Brachinger einen „Index der wahrgenommenen Inflation (IWI)“ entwickelt. Allgemein als „gefühlte Inflation“ bezeichnet. Das Ziel dieses Indexes ist es, das Ausmaß zu quantifizieren, in dem ein repräsentativer Haushalt nach seiner subjektiven Wahrnehmung bei seinen täglichen Einkäufen von der Inflation betroffen ist. Dieser Index, bzw. die Steigerungsrate = gefühlte Inflation liegt derzeit bei etwa 6 %, Tendenz steigend…
Auch wenn ich die Theorie der wahrgenommenen Inflation und deren grundlegende Hypothesen nicht zu 100% passend finde, weil hier impliziert wird, dass Preisveränderungen mehr „gefühlt wahrgenommen“ werden, als dass die Preise bzw. die Ausgaben zum Lebensunterhalt wirklich steigen. Wenigstens ist das ein erster Ansatz, der ein anderes Kaufverhalten beinhaltet und vom Warenkorb des statistischen Bundesamtes abweicht. Leider hat Brachinger diesen Index zusammen mit dem statistischen Bundesamt berechnet und nicht unabhängig davon. Darum ist auch hier davon auszugehen, dass der „repräsentative Haushalt“ eher dem der offiziellen Berechnung der Inflationsrate entspricht.
Warum sollte man die offizielle Inflationsrate manipulieren wollen?
Wie am Anfang dieses Beitrages bereits erwähnt, hat die Politik ein Interesse daran, dass es Inflation gibt, denn so kann man im Wahlkampf teure Wahlgeschenke verteilen, die sich über die Jahre selbst finanzieren. Der Schuldenberg wird immer höher, selbst wenn der deutsche Bundeshaushalt ausnahmsweise mal ein geringes Plus von 0,2% wie in 2012 aufweist, denn über die zukünftigen Forderungen von Beamtenpensionen, Renten und Krankheits- und Pflegekosten einer überalterten Gesellschaft sind zukünftige Defizite absehbar. Nur eben nicht bei den Politikern.
Um eben den Schein möglichst lange aufrecht zu erhalten, das es dem Wahlvolk ja gut geht, wird die Inflationsrate manipuliert. Das ist auch wichtig, um für den Schuldenberg möglichst geringe Zinsen zahlen zu müssen. Würde die offizielle Inflationsrate gleich der gefühlten von 6% sein, dann würde am Kapitalmarkt ein ebenso hoher Zins gefordert werden, um reale Kapitalverluste (durch Geldentwertung) zu vermeiden.Bei einer negativen Realverzinsung (Erzielbarer Zins – Inflationsrate) würde viel Kapital in Sachwerte fließen, da diese häufig als Geldanlage mit einer Realwert-Bewahrung angesehen werden.
Die Schulden des Staates werden so automatisch „entwertet“
Mit hohen Inflationsraten würde der Schuldendienst für die Staatsschulden langfristig kaum mehr zu bezahlen sein, eine Abwärtsspirale aus – höherer Nettokreditaufnahme – höherem Haushaltsdefizit – höheren Zinsen am Kapitalmarkt – steigenden Lohnforderungen – steigender Inflationsrate – usw. würde in Gang gesetzt, aus der am Ende nur eine Währungsreform führen könnte… Die Weimarer Republik mit der Hyperinflation von 1923 lässt grüßen…
Eine niedrige offizielle Inflationsrate kann dazu führen, dass diese mit 2,1% in 2011 eben unterhalb der durchschnittlichen Lohnentwicklung in Deutschland (2011 bei 4,8%) ist, jeder also offiziell mehr Geld in der Tasche hat…
Auch Sparer geben sich deshalb mit 1,75% Zinsen zufrieden, also nur etwas weniger als die Inflationsrate 2011 von 2,1%, wobei dies halt einer schleichenden Kapitalvernichtung durch Kaufkraftentzug (negative Realverzinsung) entspricht.
Wenn aber wirklich 6% Inflation bei den Haushaltsausgaben der unteren und mittleren Bevölkerungsschicht wirken, dann hat man auch bei einer Brutto Lohnerhöhung von 4,8% real weniger in der Tasche, ganz zu schweigen von den Steuern (Lohnsteuer, Mwst), die mindestens die Hälfte der Bruttolohn Steigerung auffrist…Leider…